In diesem Artikel zeige ich dir die beiden für Balkonkraftwerke vorgeschriebenen Anmeldungen und wie Du dabei bürokratische Hürden vermeidest.
Als Mieter kann ich mit einem Balkonkraftwerk eigenen Solarstrom erzeugen. Das spart Stromkosten und hilft dem Klima. Deshalb habe ich mir eine Stecker-Solaranlage gekauft und zeige dir die Anmeldung an meinem Beispiel.
Einen anderen Ansatz fährt Holger Laudeley, der in den Medien auch gerne “Mr. Energiewende” genannt wird und seit 20 Jahren Balkonkraftwerke installiert. Er hält sehr wenig von der bürokratischen Anmeldung. Seine Argument findest Du am Ende des Artikels.
Kurzer Disclaimer: Dieser Artikel stellt keine Rechtsberatung dar, für die ich auch nicht qualifiziert bin. Vielmehr stellen die rechtlichen Hinweise meinen aktuellen Wissensstand dar und sollen deiner persönlichen Entscheidungsfindung dienen.
Schritt 1: Konformitätserklärung des Wechselrichters und Datenblätter bereitlegen
Vor dem Kauf solltest Du unbedingt darauf achten, dass der Wechselrichter einen Netz- und Anlagenschutz (NA-Schutz) besitzt, der die Norm DIN VDE-AR-N 4105 erfüllt.
Der NA-Schutz sorgt dafür, dass sich der Wechselrichter sofort abschaltet, sobald der Stecker gezogen wird. Dadurch bekommst Du keinen Stromschlag, falls Du aus Versehen die Steckerkontakte berührst.
Die Konformitätserklärung deines Wechselrichters kannst Du auf der Hersteller-Webseite herunterladen. Dazu reicht meistens eine Google-Suche nach der Modellnummer. Hier ist ein Ausschnitt der Konformitätserklärung meines Wechselrichters Bosswerk MI300.
Außerdem benötigst Du für die Anmeldung ein paar Infos über das Photovoltaikmodul und den Wechselrichter. Die findest Du entweder direkt darauf aufgeklebt oder in den Datenblättern (google dazu einfach “Datenblatt” + <Modellnummer>).
Bei mir standen die wichtigsten Angaben direkt auf den Geräten. Die maximale Leistung des Solarmoduls ist 335 Watt:
Und die maximale Ausgangsleistung des Wechselrichters ist 300 Watt:
Schritt 2: Stromzähler auf Rücklaufsperre prüfen
Wenn dein Balkonkraftwerk mehr Strom erzeugt, als Du verbrauchst, zählen alte Stromzähler manchmal rückwärts.
Das ist zwar schön für deine Stromrechnung, aber leider illegal.
Man könnte dir dann unterstellen, dass Du deinen Stromzähler zu deinem eigenen Vorteil manipulierst. Das wäre möglicherweise nach § 268 Strafgesetzbuch eine Fälschung technischer Aufzeichnungen und damit sogar eine Straftat.
Falls dein Zähler eine Rücklaufsperre hat, zählt er nicht rückwärts, und Du brauchst dir darüber keine Sorgen zu machen. Mein alter Zähler hatte zum Beispiel das Symbol für die Rücklaufsperre:
Womit Du auch keine Probleme bekommst, ist ein Zweirichtungszähler. Der zählt sowohl den ins Netz eingespeisten als auch den verbrauchten Strom separat. Du erkennst ihn an einem Symbol mit zwei Pfeilen, wie auf meinem neuen Zähler:
Falls dein Stromzähler keine Rücklaufsperre hat, kannst Du auf zwei Arten deinen Zähler tauschen lassen:
Erstens, der Netzbetreiber bietet den Zählertausch direkt bei der Anmeldung an (wie bei mir in Schritt 3).
Oder zweitens, Du beziehst dich auf § 33 des Messstellenbetriebsgesetzes und forderst vom Netzbetreiber einen Zählertausch. Dort heißt es nämlich:
Dein Netzbetreiber könnte dabei auf die Idee kommen, eine Rechnung zu schreiben. Das würde ich dann kritisch hinterfragen, er ist nämlich ohnehin dazu verpflichtet, den Zähler in den nächsten Jahren zu tauschen.
Schritt 3: Anmeldeformular des Netzbetreibers ausfüllen
Die Rechtsgrundlage für die Pflicht zur Anmeldung des Balkonkraftwerks beim Netzbetreiber ist mir ehrlich gesagt unklar. In § 19 Absatz 3 der Niederspannungsanschlussverordnung steht zwar „Vor der Errichtung einer Eigenanlage hat der Anschlussnehmer oder -nutzer dem Netzbetreiber Mitteilung zu machen“, aber in § 1 Absatz 1 steht auch „Sie gilt nicht für den Netzanschluss von Anlagen zur Erzeugung von Strom aus Erneuerbaren Energien und aus Grubengas“.
Dennoch schreibt auch die Bundesnetzagentur auf ihrer Webseite, dass Balkonkraftwerke angemeldet werden müssen. Glücklicherweise gilt seit 2019 eine Neuregelung der Norm VDE-AR-N 4105, die uns die Anmeldung eines Balkonkraftwerks bis 600 Watt einfacher macht.
Wir dürfen das Balkonkraftwerk nämlich nun selbst beim Netzbetreiber anmelden und brauchen keinen Elektriker mehr dafür!
Viele Netzbetreiber haben den Gong auch gehört und stellen Formulare zur vereinfachten Anmeldung auf ihrer Webseite bereit.
Falls dein Netzbetreiber kein Formular anbietet, kannst Du einfach das Musterformular der Deutschen Gesellschaft für Sonnenenergie (DGS) verwenden.
Zuerst musst Du aber herausfinden, wer denn überhaupt dein Netzbetreiber ist.
Wer ist mein Netzbetreiber?
Der Name deines Netzbetreibers steht manchmal direkt auf dem Stromzähler. Falls nicht, findest Du deinen Netzbetreiber auf der letzten Stromrechnung.
Auf meiner Stromrechnung steht zum Beispiel die Netzbetreiber-Nummer:
Mit Hilfe der Datenbank des BDEW konnte ich dann herausfinden, dass mein Netzbetreiber die MVV Netze GmbH ist:
Als nächstes musst Du das Formular zur vereinfachten Anmeldung ausfüllen.
Formular zur vereinfachten Anmeldung des Balkonkraftwerks
Dazu suchst Du einfach mit Google <Name Netzbetreiber> + “Anmeldung Balkonkraftwerk”. Bei mir war der erste Treffer direkt die Webseite mit dem Anmeldeformular.
Das Formular der MVV ist sehr einfach aufgebaut. Neben meiner Adresse und der Zählernummer muss ich dort zunächst nur die Leistung des Solarmoduls, die Leistung des Wechselrichters und das Inbetriebnahmedatum angeben:
Etwas kniffliger wird es weiter unten. Dort muss ich nämlich 5 Punkte bestätigen, die zunächst abschreckend wirken:
Von solchen Formulierungen sollten wir uns aber nicht einschüchtern lassen.
Gehen wir die Punkte doch der Reihe nach durch:
- Das Balkonkraftwerk soll an eine Energiesteckdose angeschlossen werden, die fachgerecht installiert wurde. Das stellt kein Problem dar, da nach Interpretation der DGS auch eine normale Haushaltssteckdose mit Schuko-Buchse als Energiesteckdose gilt.
- Wenn Du die Leistung deiner Geräte kennst, kannst Du die Einhaltung der 600W einfach bestätigen.
- Die Konformitätserklärung für den NA-Schutz haben wir bereits in Schritt 1 beschafft. Von daher können wir die Konformität einfach bestätigen.
- Die Registrierung im Marktstammdatenregister zeige ich dir gleich.
- Da ich die Einspeisung durch das Balkonkraftwerk nicht verhindern kann, tauscht mir die MVV kostenlos den Zähler. EEG-Vergütung wollen wir bei Mini-PV-Anlagen nicht, da sich der Aufwand dafür nicht lohnt. Da wir keine EEG-Vergütung beanspruchen ist auch laut DGS die 70%-Regel nicht anwendbar.
Nach dem Versand des unterschriebenen Formulars ist die Anmeldung beim Netzbetreiber erledigt. An dieser Stelle ein großes Lob an die MVV, die mir einen(!) Tag nach der Anmeldung den neuen Zweirichtungszähler eingebaut hat.
Jetzt fehlt nur noch das Marktstammdatenregister.
Schritt 4: Balkonkraftwerk im Marktstammdatenregister eintragen
Aus § 5 der Marktstammdatenregisterverordnung ergibt sich leider auch für Balkonkraftwerke eine Pflicht zur Eintragung im Marktstammdatenregister.
Für dich und mich ist der Registrierungsassistent für Betreiber von Stromerzeugungsanlagen relevant. Leider verlangt der Assistent drei Schritte, bevor die Anmeldung abgeschlossen ist:
Folgst Du dem Assistenten, sind die Schritte weitgehend selbsterklärend und wenn Du einmal nicht weiterkommst, bekommst Du mit einem Klick auf das (i) eine ausführliche Erklärung.
Achte aber darauf, dass Du die Marktstammdatenregisternummer am Ende von Schritt 2 und die Registrierungsbestätigung am Ende von Schritt 3 für eventuelle Rückfragen gut aufbewahrst.
Glückwunsch, das war es auch schon mit den Formularen! War doch gar nicht so schlimm, oder?
Trotzdem finde ich, dass dieser bürokratische Aufwand für mein kleines Balkonkraftwerk ziemlich übertrieben ist. Schließlich kam ich auch noch nie auf die Idee, meinen Wasserkocher irgendwo anzumelden. Der arbeitet allerdings mit 2.000 Watt, statt der 300 Watt meiner Stecker-Solaranlage.
Deshalb stellt sich durchaus die Frage, was denn eigentlich passiert, wenn Du die Anmeldung ignorierst.
Was passiert, wenn Du dein Balkonkraftwerk nicht anmeldest?
Wenn Du dein Balkonkraftwerk nicht im Marktstammdatenregister anmeldest, kann nach § 21 MaStRV in Verbindung mit § 95 EnGW theoretisch ein Bußgeld bis zu 50.000€ verhängt werden. Versäumst Du die Anmeldung beim Netzbetreiber und dein Zähler hat keine Rücklaufsperre, begehst Du möglicherweise sogar eine Straftat nach § 268 Strafgesetzbuch.
Solange dein Zähler aber nicht rückwärts dreht, ist in der Praxis eine Verfolgung unwahrscheinlich.
Holger Laudeley, der schon seit Jahrzehnten Balkonkraftwerke installiert, geht sogar noch weiter. Er empfiehlt jedem, sein Balkonkraftwerk nicht anzumelden. Wer geht denn schließlich zum Metzger, um sich über vegetarische Ernährung zu informieren?
Fazit
Jetzt kennst Du also die beiden Anmeldungen für Balkonkraftwerke und bist selbst am Zug. Bei mir hat die Anmeldung nur etwa eine Stunde Zeit in Anspruch genommen.
Wofür wirst Du dich entscheiden? Für oder gegen eine Anmeldung?
Oder vielleicht habe ich ja auch eine wichtige Frage unbeantwortet gelassen?
Lass es mich gerne in den Kommentaren wissen!
Hier bei uns wird vom Netzbetreiber bei der Anmeldung auch eine besondere Energiesteckvorrichtung (das wäre ja vielleicht noch Schuko nach DGS) und eine Prüfung der Installation durch einen Elektriker gefordert. :-/ Hadere noch, denn die Anmeldung ist Voraussetzung für die Förderung durch die Stadt. Aber finde mal einen Elektriker zeitnah.
Eine Stunde für die Anmeldung? Respekt. Mein Energieversorger verlangt in seinem Anmeldeformular die Unterschrift einer bei ihm zugelassenen Fachfirma. Der Fachmann muss verschiedene Tests machen und protokollieren und bestätigen dass alles den Sicherheits- und VDE Vorschriften entspricht!
Ich habe heute alleine viele Stunden lang die Liste meines Energieversorgers abtelefoniert um einen dieser zugelassenen Elektromeister zu finden, der bereit ist noch in diesem Jahr (!) meine Anlage „abzunehmen“ und das „Attest“ zu unterschreiben!
Bei vielen kommt nur eine automatische Ansage, dass in 2023 keine Anfragen oder Aufträge mehr entgegen genommen werden! Ich glaube, so wird die Bereitschaft, ein Balkonkraftwerk anzumelden stark nachlassen!
Das klingt wirklich nach der Bürokratie-Hölle. Hoffentlich wird die neue Strategie der Bundesregierung schnell umgesetzt: https://www.heise.de/news/Photovoltaik-Regierung-will-Nutzung-von-Balkonkraftwerken-erleichtern-7542327.html
in der NAV §1 steht, dass Solarpanels eine Ausnahme darstellen:
„Sie gilt nicht für den Netzanschluss von Anlagen zur Erzeugung von Strom aus Erneuerbaren Energien und aus Grubengas.“
Ich konnte es kaum glauben, aber es stimmt: Obwohl die Anmeldepflicht von manchen Netzbetreibern auf die NAV §19 zurückgeführt wird, steht in NAV §1, dass die NAV nicht für Anlagen zur Erzeugung von Strom aus Erneuerbaren Energien gilt!
Vielen Dank für den Hinweis, ich werde den Absatz demnächst überarbeiten 🙂